WS 05/06: Europa erinnert / sich

Vorlesung 2 SWS
2 Credits
Jun.-Prof. Dr. Sonja Neef

Wo Europa steht und wohin es sich bewegt, diese Fragen lenken den Blick gleichermaßen in die Zukunft Europas wie in seine Vergangenheit. Vergangenheit, das wird in der Vorlesung eingehend besprochen werden, ist immer von einer Gegenwart aus gedacht, und in dieser erscheint Vergangenes weniger als vorfindbarer oder rekonstruierbarer Gegenstand als als ein Akt der Erinnerung. Erinnerung und Gedächtnis erweisen sich aber oft als eine äußerst wacklige Angelegenheit. Zunächst, weil sie in hohem Maße subjektiv und eng an die Sinne angelegt sind: wir erinnern uns durch Bilder, Klang, Geruch und Gefühl. Erinnerungen laufen auch oft Gefahr, vor Stress oder Trauma zu kollabieren. Erinnerungen sind schwer ausdrückbar und brauchen doch eine mediale Form, oder eine performance, um kommunizierbar zu werden.
Wenn Erlebtes von sozial, politisch, national, rassisch oder sexuell kodierten Gruppen geteilt wird, können Erinnerungen zum „kulturellen Gedächtnis“ werden. Die gegenwärtige Diskussion über die Zukunft Europas ist heute unvermindert durch das kulturelle Erinnern des Shoa geprägt. Dieses kulturelle Erinnern findet nicht nur in authentifizierten oder dokumentarischen Speichermedien statt (im Archivmaterial des Rijksarchief voor Oorlogsdocumentatie in Den Haag, in den Tagebüchern der Anne Frank oder im International Tracing Service in Bad Arolsen), sondern eben auch und gerade in künstlerischen Projekten, als architektonisches Stelenfeld von Eisenman, als Internetprojekt von Arnold Dreyblatt, als Legobaukasten „Auschwitz“ von Libera Zbigniew. In der Vorlesung wird es darum gehen, einige Schlüsselbegriffe der kulturellen Erinnerung des Shoa in ihren theoretischen Rahmen zu analysieren: performance und Performativität, Erinnerung and Gedächtnis, (un-) erzählbarkeit, Trauma. Dabei wird es darum gehen, Europa in seinen diversen Konzeptionen des kulturellen Erinnerns zu denken, diese auch und gerade als künstlerische Performance zu studieren und sie als konzeptueller Diskurs und also als historiographische Ausdrucksform ernst zu nehmen.

Die Vorlesung ist Bestandteil des gleichnamigen Forschungsprojekts sowie des Projektmoduls Europäische Medienkultur.

Freitags, 11.00 bis 13.00 Uhr
Audimax, Steubenstraße 6

Leistungsnachweis: Abschlussklausur
Richtet sich an: A, B, G, M
Studienabschnitt 2